Feminismus
Let’s Talk About Sexism
Im Kindergarten, in der Schule, in der Ausbildung und auf der Arbeit – immer wieder wird uns aufgrund unseres Geschlechts zugeschrieben, was wir mögen, was wir dürfen und was wir können. Dass Mädchen immer rosa cool finden und Jungs sich eben nun mal prügeln, scheint dabei gesetzt. Dass auch manche Mädchen stolz darauf sind, laut rülpsen zu können und manche Jungs lieber Zöpfe flechten als Auto spielen, wird oft schon früh versucht zu korrigieren.
Was im Kindergarten anfängt, nimmt auch in der Schule seinen Lauf: Jungs können Physik und Mädchen sind gut in Kunst. Auch in der Ausbildung scheint für viele klar: Frauen machen halt was Soziales und Männer was Handfestes. Wenn mir als Frau immer gesagt wird, dass ich das eh am besten kann, ist klar, dass in den sogenannten „Frauenberufen“ weniger verdient wird – da muss man ja nicht so krass anpacken. Und das bisschen Haushalt nach Feierabend darf dann auch die Frau übernehmen, denn die musste ja auf der Arbeit nicht so ranklotzen. In unserer Gesellschaftsform – dem Patriachat – werden die vermeintlichen Ungleichheiten oft zum Vorteil der Männer ausgelegt.
Sexismus und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hat ganz viele Dimensionen – es zeigt sich z. B. darin, dass 74 Prozent aller Vorstandsposten in Deutschland weiterhin von Männern besetzt sind, obwohl Frauen immerhin die Hälfte der deutschen Bevölkerung ausmachen. Aber auch schon die Aussage „Das gehört sich nicht für ein Mädchen/einen Jungen“ zeigt die Wirkmacht von Schubladen, in denen wir über Geschlechter nachdenken. Wirkmächtig wird die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auch im Arbeitsleben. Frauen verdienen in Deutschland 21 Prozent weniger als Männer. Das ist fast ein Viertel!
Kann man da nichts gegen machen?
Gegen diese Ungerechtigkeit kämpfen Frauen schon seit Jahren weltweit. Der Begriff für den Kampf für Gleichberechtigung wird Feminismus genannt. Es gibt in der westlichen Welt verschiedene Epochen mit verschiedenen Themen, für die sich Frauen eingesetzt haben. Die Epochen werden als Wellen des Feminismus bezeichnet. Selbstverständlich sind feministische Kämpfe nicht nur in der westlichen Welt geführt worden, doch werden wir uns in diesem Text auf diese beschränken.
Die erste Welle des Feminismus begann Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts und forderte politische wie zivile Grundrechte für Frauen. Hierunter zählt z. B. das Wahlrecht für Frauen, das Ende der Vormundschaft von Vater oder Ehemann und freie Berufswahl, wo auch der Zugang zur Universität zugehörte. Diese Forderungen wurden unter anderem im Rahmen des Frauenkampftages gestellt. Dieser fand das erste Mal 1911 mit Hilfe sozialdemokratischer Organisationen und Gewerkschaften statt.
Heute feiern wir den Frauenkampftag unter dem Namen Weltfrauentag am 8. März jeden Jahres. Der Kampf um die Grundrechte für Frauen war ein langer, das Wahlrecht wurde beispielsweise erst sieben Jahre später eingeführt. In der zweiten Welle der Frauenbewegung in den 1970er Jahren waren schon viele Frauen erwerbstätig – doch durften Frauen in Deutschland bis 1977 nur mit dem Einverständnis des Ehemannes arbeiten. Erste Pflicht der Frau war das Kümmern um den Haushalt und die Kinder.
Dadurch und durch die ungleichen Chancen auf dem Bildungsmarkt war klar, dass Frauen keine verantwortungsvollen Jobs angeboten bekamen und oft von zuhause aus oder im Niedriglohnsektor mit wenig Aufstiegschancen arbeiteten. Dass die Pille für junge Frauen eine kassenärztliche Leistung ist, wurde auch in der zweiten Welle des Feminismus erkämpft und teils mit drastischen Methoden, da es nicht selbstverständlich war, als Frau gehört zu werden.
Und jetzt?
Heute ist es selbstverständlich, dass Frauen arbeiten, die ungleiche Bezahlung und Wertschätzung ihrer Arbeit ist allerdings geblieben. Dagegen setzen sich die Frauen in der dritten Welle des Feminismus ein. Dies tun sie auch stark über Social Media, das eine Vernetzung von Frauen aus verschiedenen Teilen der Welt ermöglicht und so Themen weltweit auf die Agenda setzen kann – wie die #metoo Bewegung, die auf übergriffiges Verhalten von Männern aufmerksam gemacht hat. Viel mehr wird heute von vielen Feminist*innen nicht mehr lediglich von zwei Geschlechtern ausgegangen (Gender Binarität). Geschlecht hat dabei mehr als nur zwei Pole. Bei Intersexualität ist zum Beispiel auch biologisch keine eindeutige Zuordnung zu einem Geschlecht möglich. Transgender bedeutet, dass das angeborene Geschlecht nicht das Geschlecht ist, mit dem ich leben möchte.
Biologisches (sex) und soziales Geschlecht (gender) sowie Sexualität werden voneinander getrennt; der Diskurs wird komplexer, die Forderungen bleiben jedoch die gleichen: Gleichberechtigung im privaten, wie im öffentlichen Raum für alle Menschen. Der heutige Feminismus ist komplex, aber stützt sich auf die ursprünglichen Theorien von Autor*innen, wie Simon de Beauvoir: das Geschlecht „typisch Mann“ und „typisch Frau“ ist nicht biologisch, es ist sozialisiert. Wir wachsen in einer Welt auf, in der Geschlechtern Rollen, Eigenschaften und Vorurteile zugesprochen werden. Diese Eigenschaften und Vorurteile gegenüber dem „anderen“ Geschlecht übernehmen wir oft unbewusst. Es gibt heutzutage wenig Menschen, die sich klar gegen die Gleichberechtigung aussprechen (von der Neuen Rechten mal abgesehen), Sexismusist trotzdem noch ein prägender Bestandteil unseres Alltags.
Mit der AfD ist eine Partei in den Bundestag gezogen, die sich vermeintlich für Frauenrechte einsetzt. Begriffe wie „Genderwahnsinn“ wurden von der AfD geprägt und verbreiten sich schnell über Social Media. In der Rhetorik der AfD gehen Sexismus und Rassismus miteinander einher: Während die „Deutschen“ nur „ihre“ schwachen Frauen schützen, wollen „die Anderen“ sie vergewaltigen. Das ist ein Problem, denn das Bild um den Kampf für Frauenrechte darf nicht von rechten Gruppen für sich genutzt werden, um ihre ausgrenzenden Argumente durchzusetzen.
Wenn wir gegen Ausgrenzung und Diskriminierung sein wollen, dann in jeglicher Form und gemeinsam. Sexismus hat wie jede Art von diskriminierendem Verhalten ganz verschiedene Facetten und muss nicht immer absichtlich geäußert und unterstützt werden. Manchmal merken wir, dass ein Spruch danebenging und wir uns gerade unangemessen verhalten haben (hier ist wichtig, das dann nicht stehen zu lassen, sondern je nach Situation, ein Sorry oder ein Gespräch anzubieten). Auch im Alltag begegnen wir sexistischer und unangemessener Werbung oder anzüglichen Kommentaren im Betrieb/in der Dienststelle. Oder bemerken als Frauen, dass wir einen Job nicht bekommen, weil wir das falsche Geschlecht haben. Als Frau ist es schwierig, einen Ausbildungsplatz in „typischen Männerberufen“ zu bekommen – andersherum haben Männer in „typischen Frauenberufen“ oft sehr gute Karten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Was tun bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auf dem Arbeitsmarkt?
Wenn du von sexistischem Verhalten betroffen bist oder in der Ausbildung/Arbeit aufgrund deines Geschlechts diskriminiert wirst, hast du ganz viele verschiedene Möglichkeiten, dich gegen die Ungerechtigkeit zu wehren. Ganz wichtig ist: Du bist nicht allein! Gehe mit deinem Problem zu deiner JAV, oder zu deinem Betriebs- oder Personalrat. Es ist eine Kernaufgabe deiner Interessenvertretung, dein Problem mit dir gemeinsam zu lösen. Es gibt sogar ein eigenes Gesetz, das Diskriminierung verbietet (das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG). Das AGG soll: „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen„. Es gibt auch extra Beratungsstellen, zu denen du gehen kannst, wenn du dich ungerecht behandelt gefühlt hast. Auch ver.di unterstützt dich und hilft dir, dein Recht durchzusetzen. Gemeinsam stark!
Miriam Hagelstein war stellvertretende Vorsitzende der ver.di Jugend und hier lagen ihre Schwerpunkte in der Bildungsarbeit und Anti-diskriminierungsarbeit. Durch ihr Amt in der Jugend- und Auszubildendenvertretung an der RWTH Aachen 2012 Mitglied von ver.di geworden, ist sie mittlerweile Studentin der Politikwissenschaften und Philosophie im Bachelor an der Universität Kassel.