AfD
Die AfD und die soziale Frage
Gerne präsentiert sich die AfD als die „Partei des kleinen Mannes“. Tatsächlich steht sie nicht nur für die Ausgrenzung und Diskriminierung von Migrant*innen und Geflüchteten, sondern auch für weiteren Sozialabbau und eine durch und durch arbeitnehmer*innenfeindliche Politik.
Sozialabbau und Steuergeschenke für Unternehmen und Besserverdienende
Seit ihrer Gründung gehört die Steuerpolitik zu den Schwerpunktthemen der AfD. Im Mittelpunkt steht dabei, Unternehmen und Besserverdienende steuerlich zu entlasten und sozialpolitische Aufgaben zurückzufahren.
Deutlich wird dies an einem der Kernpunkte der Partei: der Reform der Einkommensteuer. Die Einkommensteuer ist eine der wichtigsten Finanzierungsquellen des Staates und für rund ein Drittel der Staatseinnahmen verantwortlich. Sie liefert damit einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung von gesellschaftlichen Aufgaben wie Soziales, Gesundheit oder Bildung. Bislang erfolgt die Besteuerung von Einkommen progressiv: Wer höhere Einkommen hat, wird auch höher belastet. Die Idee dahinter ist einfach: Starke Schultern können eine größere Last tragen als schwache. Diese progressive Einkommensteuer soll nach Willen der AfD der Vergangenheit angehören und durch ein Stufenmodell ersetzt werden, das Spitzeneinkommen deutlich entlastet. Dem Staat drohen damit massive Einnahmeausfälle und deutlich weniger Geld für Infrastruktur oder Sozialausgaben.
Mit der Gewerbesteuer will die AfD zudem eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen abschaffen. Die Folge wäre, dass viele Gemeinden ihre kommunalen Aufgaben nicht mehr wahrnehmen könnten. Kürzungen in der Jugend- und Sozialarbeit, bei der Unterstützung von Vereinen und bei Kinderbetreuungseinrichtungen wären die Folge. Neben der Erbschaftsteuer sollen auch die Mietpreisgrenzen abgeschafft werden. Auch hier sind vor allem diejenigen die Leidtragenden, die schon heute kaum bezahlbaren Wohnraum finden – junge Menschen wie Auszubildende oder Studierende und Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen mit niedrigen Löhnen. Verschärft werden sollen hingegen das Banken- und Steuergeheimnis, was die Ermittlungen gegen Steuersünder erheblich erschweren würde. Während von der Entlastung bei der Einkommen-, Gewerbe-, Erbschaftsteuer vor allem Vermögende und Unternehmen profitieren, soll die Allgemeinheit die Zeche dafür bezahlen. So fordert die AfD unter anderem die weitere Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und den Rückbau der sozialen Sicherungssysteme.
Arbeitsmarktpolitik zu Lasten der Beschäftigten
Auch unter der Arbeitsmarktpolitik der AfD hätte vor allem „der kleine Mann“ zu leiden. So fordern Vertreter*innen der AfD immer wieder die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu Lasten der Beschäftigten, den erzwungenen Arbeitseinsatz von Erwerbslosen oder die Absenkung von Hartz-Ⅳ-Leistungen.
In ihrem Grundsatzprogramm fordert die Partei eine Neuordnung und Entbürokratisierung des Arbeitsrechts, womit vor allem der Abbau von Arbeitnehmer*innenrechten verbunden ist. In der Leih- und Zeitarbeit verurteilt die AfD zwar den Missbrauch dieser Beschäftigungsverhältnisse, ohne jedoch prekäre Arbeitsverhältnisse grundsätzlich abzulehnen oder eindämmen zu wollen. Statt die vielen Betroffenen von Niedriglöhnen zu unterstützen, kritisierte der Parteivorsitzende Jörg Meuthen zynisch den Mindestlohn: »Es gibt Menschen, die arbeiten, aber dabei nicht jene Produktivität erreichen, die einem Mindestlohn von 8,50 Euro entspricht.« Die AfD fordert außerdem die Auflösung der Bundesagentur für Arbeit. Deren Aufgaben sollen stattdessen künftig von den kommunalen Jobcentern übernommen werden. Im Gegensatz zu den kommunalen Jobcentern ist die Bundesagentur bisher für die Verwaltung der beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherung zuständig. Mit der Auflösung der Bundesagentur wäre auch die Arbeitslosenversicherung in ihrer bisherigen Form gefährdet.
Antworten auf die drängendsten arbeitsmarktpolitischen Fragen unserer Zeit, wie dem Umgang mit der Digitalisierung, der Verbesserung der Ausbildung oder der zunehmenden prekären Beschäftigung und ihren Folgen für die sozialen Sicherungssysteme, sucht man bei der AfD vergebens. Stattdessen setzt die Partei auf eine weitere Deregulierung und Umstrukturierung am Arbeitsmarkt zu Lasten der Beschäftigten.
Elitenförderung statt guter Bildung für alle
Gerade in der Bildungspolitik werden die Weichen für die ökonomische, soziale und politische Teilhabe an der Gesellschaft gestellt. Ein gleicher Zugang zu Bildung ist die Grundlage für Chancengleichheit und zur Verbesserung der eigenen sozialen Lage.
Schon heute gibt es kaum ein Industrieland, in dem das Bildungssystem so sozial selektiv ist wie in Deutschland. Fast nirgendwo haben Arbeiter*innenkinder so schlechte Chancen, einen Hochschulabschluss zu erwerben, wie hierzulande. Eine Ursache dafür ist, dass in weiten Teilen Deutschlands noch immer am dreigliedrigen Schulsystem festgehalten wird. Die AfD möchte diese Ungleichheit im Bildungswesen zementieren und ausbauen. So lehnt sie die Gesamtschule ab und will das dreigliedrige Schulsystem beibehalten. Sie will es darüber hinaus auch in den Bundesländern einführen, in denen es bisher noch nicht existiert. Statt guter Bildung für alle steht die Elitenbildung durch möglichst frühe soziale Auslese im Mittelpunkt der AfD-Bildungspolitik. Dies gilt auch für die Universitäten: Die von der AfD geforderten Zugangsbeschränkungen für einzelne Studiengänge schließen insbesondere finanziell schwächer gestellte Menschen aus. Während Kinder aus wohlhabenden Elternhäusern auf Privatunterricht und andere Unterstützung zurückgreifen können, bleibt dies Kindern aus sozial benachteiligten Familien verwehrt.
Geht es nach der AfD, soll zudem nicht die Wissensvermittlung im Zentrum der Bildungspolitik stehen, sondern die Nutzbarmachung der Bildung für wirtschaftliche Zwecke. Um ihre Pläne durchzusetzen, verbindet sie ihre Elitenpolitik mit der Warnung vor einem angeblichen Qualitätsverlust des Schul- und Hochschulbereichs. So behauptet die Partei in ihrem Grundsatzprogramm, dass „Schüler nicht mehr die Grundkenntnisse besitzen, die in der Berufsausbildung oder im Studium benötigt werden“, und sieht darin die Ursache für die mangelnde Zahl von Bewerber*innen in einigen Ausbildungsberufen. Tatsächlich hat sich Deutschland in der PISA-Studie in den vergangenen Jahren erheblich verbessert und die Jugendarbeitslosigkeit ist in Deutschland so niedrig wie selten zuvor. Die Gründe für den Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern in manchen Ausbildungsberufen liegen anderswo, wie unter anderem der jährliche Ausbildungsbericht der DGB Jugend aufzeigt. Es sind vor allem die Branchen mit mangelhaften Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sowie unterdurchschnittlicher Entlohnung, denen es schwer fällt, Nachwuchskräfte zu gewinnen.
Europafeindlichkeit zu Lasten der Beschäftigten
Die Europapolitik gehört zu den Kernthemen der AfD und auch hier inszeniert sich die Partei gerne als Vertreter „des kleinen Mannes“. Tatsächlich hätten die europafeindlichen Pläne der AfD verheerende Auswirkungen für Arbeitnehmer*innen, sollten sie Realität werden.
So fordert die AfD in ihrem Grundsatzprogramm die Einschränkung der EU-Freizügigkeit und flächendeckende Kontrollen an den deutschen Grenzen. Sie will „das Experiment Euro geordnet beenden“ und strebt den Austritt Deutschlands aus der EU sowie die Auflösung der Europäischen Union an. Zudem plädiert die Partei für ein Ende des Schengen-Abkommens, das Reisefreiheit und freien Warenverkehr in Europa regelt.
All diese Maßnahmen hätten für die abhängig Beschäftigten in Deutschland und ganz Europa negative Konsequenzen. Offene Grenzen haben mehr als nur symbolischen Wert. Sie sind sowohl Wohlstandsfaktor als auch Wirtschaftsmotor. Inzwischen ist fast jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland vom Außenhandel abhängig und somit auch von offenen Grenzen in Europa. Deutschlands Wirtschaft ist mit einem Außenhandelsvolumen von 2,6 Billionen Euro im Jahr so stark auf Geschäfte mit dem Ausland ausgerichtet wie nur wenige andere Länder. Eine Wiedereinführung von innereuropäischen Grenzkontrollen, wie die AfD sie fordert, würde alleine der deutschen Volkswirtschaft 234 Milliarden Euro in einem Zehnjahreszeitraum kosten. Die Unterbrechung europäischer Produktionsprozesse hätte sowohl für exportorientierte Unternehmen und deren Beschäftigte, zum Beispiel in der Automobilindustrie und deren Zulieferer oder im Maschinenbau, als auch für den Speditions- und Logistiksektor gravierende Folgen.
Der nationalistische Kurs der AfD schürt also nicht nur Konflikte, sondern setzt auch Millionen Arbeitsplätze aufs Spiel. Leidtragende dieser antieuropäischen Politik der Abschottung wären vor allem Arbeitnehmer*innen.
Die AfD – keine Alternative
Schon ein kurzer Blick in die Programmatik der AfD zeigt also, dass die Partei, die sich gerne als Vertreter „des kleinen Mannes“ präsentiert, vor allem eines ist: Eine Partei des Sozialabbaus und der sozialen Ungleichheit. Für uns als Gewerkschafter*innen ist daher klar: Eine Partei, die Ausgrenzung und Diskriminierung propagiert, die gegen Flüchtlinge hetzt und sozial Benachteiligte ausgrenzt, ist keine Alternative.
Stefan Dietl lebt als freier Journalist und Autor in Regensburg und ist seit seiner Ausbildung Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Neben seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Vorsitzender des ver.di-Bezirks Oberpfalz und im Landesvorstand von ver.di Bayern schreibt er vor allem zu sozial- und wirtschaftspolitischen Themen.