Rassismus
Rassismus ist eine Ideologie, die Menschen aufgrund ihres Äußeren oder ihrer vermeintlichen Abstammung als Gruppe (sogenannte „Rasse“) bewertet. Merkmale wie Hautfarbe, Körpergröße, Sprache oder teilweise auch kulturelle Merkmale wie Kleidung und Bräuche dienen Rassist*innen zur Einteilung und Abgrenzung. Alle Menschen, die vermeintlich nicht zu ihrer eigenen Gruppe gehören, werden von ihnen als minderwertig angesehen. Wenn Menschen nicht nach ihren individuellen Eigenschaften oder Taten, sondern als Teil einer vermeintlich homogenen Gruppe beurteilt und abgewertet werden, dann ist das Rassismus. Auch eine vermeintliche Aufwertung einer Person durch die vermeintliche Zugehörigkeit zu einer Gruppe ist Rassismus – diese Art des Rassismus nennt man positiven Rassismus.
(Stand 2019) Aktuell sind ca. 68,8 Millionen Menschen auf der Flucht, Deutschland hat im Vergleich dazu ca. 83 Millionen Einwohner*innen. Die meisten Menschen fliehen innerhalb eines Landes (Binnenflüchtlinge) oder in unmittelbare Nachbarländer. Dies betrifft ca. 80 Prozent der Flüchtenden weltweit. Nur ein kleinerer Teil macht sich auf den gefährlichen, strapaziösen und teuren Weg nach Europa oder die USA. Am Beispiel Syrien lässt sich dies gut illustrieren. Seit 2011 herrscht dort ein blutiger Bürgerkrieg. Von den 2010 ca. 21 Millionen in Syrien lebenden Personen sind mehr als die Hälfte geflohen oder auf der Flucht. Diese teilen sich wie folgt auf: 6,3 Millionen Menschen innerhalb Syriens sowie 3,6 Millionen in der Türkei, 915.000 im Libanon und 671.000 in Jordanien. In Europa hat Deutschland die meisten Geflüchteten aus Syrien aufgenommen (ca. 770.000). Setzt man die Bevölkerungsgröße in Bezug zu den Flüchtlingszahlen, ändert sich das Bild noch einmal drastisch. Deutschland als wirtschaftlich starkes Land in der EU hat auch eine besondere Verantwortung, Personen auf der Flucht ein sicherer Hafen zu sein.
Die deutsche Wirtschaft ist international eingebunden. Ein maßgeblicher Teil des guten Lebens in Deutschland bzw. Westeuropas und der USA wird auf dem Rücken des globalen Südens ausgetragen. Deutschland hat daher ebenfalls eine globale Verantwortung. Eine weitere Grundlage des Reichtums des globalen Nordens (und somit auch Deutschlands) sind die globalisierten Produktionsbedingungen. Bodenschätze werden unter Ausbeutung der Menschen in afrikanischen oder südamerikanischen Staaten gewonnen und dann zu hochwertigen Produkten weiterverarbeitet. Für die Menschen, welche die Rohstoffe fördern, reichen die Löhne dabei kaum zum Überleben – mitunter erhalten sie nicht einmal einen US-Dollar am Tag. Zugleich verdienen bspw. die Staaten der EU viel Geld damit, subventionierte oder überproduzierte Lebensmittel wie Getreide und Geflügel in afrikanische Staaten zu exportieren. Kleinere lokale Nahrungsmittelproduzenten werden durch die billigen europäischen Produkte in den Ruin getrieben und den Menschen somit ihr Einkommen und ihre Versorgungsgrundlage geraubt. Die Probleme der Welt hängen also eng mit unserem Reichtum zusammen. Eine Aufteilung in „Wirtschaftsflüchtlinge“ und „Kriegsflüchtlinge“ ist für uns große Heuchelei, denn in jeder (Krisen)Situation haben Menschen ein Anrecht darauf, sich und ihre Familien zu schützen.
Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages konnten 2017 rund 34 % der deutschen Firmen ihre Ausbildungsplätze nicht voll besetzen – Tendenz steigend. Es ist also im Gegenteil eher so, dass es mehr Menschen bräuchte, um alle anfallende Arbeit zu erledigen. Je nach Herkunftsland und Status dürfen Asylsuchende in den ersten drei Monaten gar nicht arbeiten. Menschen mit geringer Chance auf eine Anerkennung im Asylverfahren dürfen häufig überhaupt nicht arbeiten. Aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und der fehlenden Anerkennung von Zertifikaten sowie Zeugnissen haben es Geflüchtete auch bei Erteilung einer Arbeitserlaubnis häufig schwer auf dem Arbeitsmarkt. Ein großes Problem ist dabei auch die Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen. Eine Flucht und eine Migration generell bedeutet in den allermeisten Fällen eine starke Abwertung auf dem Arbeitsmarkt. Wusstest du, dass viele Deutsche in der Schweiz arbeiten? Hier sind die Löhne im Vergleich zu Deutschland deutlich höher, weswegen Deutsche diese Jobs vor allem wegen der finanziellen Perspektive annehmen.
Knapp 345 Milliarden Euro sieht der Bundeshaushalt für 2019 an Einnahmen vor. Für Flüchtlinge wurden 2018 14,8 Milliarden Euro ausgegeben, was 4,9 Prozent des Bundeshaushaltes entsprach. Das Geld ist also da. Außerdem zahlen Geflüchtete ebenfalls Steuern: auf Produkte, die sie kaufen oder wenn sie einer Arbeit nachgehen. Ein Teil des Geldes fließt also an den Staat zurück. Als eine der stärksten Volkswirtschaften weltweit gibt es in Deutschland großen Reichtum, über den allerdings nur relativ wenig Menschen verfügen. Diese Verteilung ist auch eine politische Frage. So kann der Staat einen Teil dieser Vermögen über Steuern an den ärmeren Teil der Bevölkerung umverteilen, zu dem Geflüchtete in Deutschland häufig gehören. Mit konkreten Gesetzesänderungen kann der Staat die Situation von Geflüchteten verbessern und es den Menschen ermöglichen, eigenständige Lebensperspektiven aufzubauen. Eine Integration in den Arbeitsmarkt schafft z.B. nicht nur sicherere Lebensperspektiven für Geflüchtete, sondern entlastet auch den deutschen Staat. Wir Kolleg*innen lassen uns nicht Spalten!
Die Rede vom "Wirtschaftsflüchtling" macht eine Trennung auf, die die Realität in deren Herkunftsländern verkennt. Krieg, politische Konflikte und Krisen, Armut und Hunger sind oft miteinander verschränkt. Durch die Bezeichnung "Wirtschaftsflüchtling" werden diejenigen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, gegen die ausgespielt, die wegen Hunger, Perspektivlosigkeit und Armut ihre Heimat verlassen. Ihnen werden legitime Fluchtgründe abgesprochen und vorgeworfen, sich "bei uns ein schönes Leben machen zu wollen". Aber woher kommen der Hunger und die fehlenden Perspektiven? Diese können die Folge von (Bürger-)Kriegen sein. Sie können aber auch die Folge des kapitalistischen Weltmarktes sein, der die Länder des globalen Südens benachteiligt und Armut verursacht. Oder sie sind Folge von Dürrekrisen und Überflutungen als Folge des Klimawandels. Die Perspektivlosigkeit der Geflüchteten, weshalb sie sich erst auf gefährliche Fluchtrouten begeben, hat globale Gründe. Wer Menschen, die aufgrund einer fehlenden oder zerstörten Lebensgrundlage nach Europa kommen, als "Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichnet, die "nur in unser Sozialsystem wollen", blendet die Not dieser Menschen bewusst aus.
Das deutsche Sozialsystem ist dafür da, dass alle Menschen in Deutschland eine Lebensgrundlage haben. Wer jedoch schon mal in den »Genuss« von Leistungen wie Arbeitslosengeld Ⅱ gekommen ist, weiß, dass der deutsche Staat in aller Regel keine Geschenke verteilt. 344 Euro Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz stehen Geflüchteten in Deutschland zu, das sind 20 Prozent weniger als das Existenzminimum nach Arbeitslosengeld-Ⅱ-Regelsatz. In Erstaufnahmeeinrichtungen können Asylsuchenden davon 135 Euro in bar als Taschengeld ausgezahlt werden, der Rest wird in Form von Sachleistungen übergeben. Richtig ist, dass der deutsche Staat für die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden aufkommt. Das zumindest in den ersten Monaten, bis sich diese mit einer eigenen Wohnung und einem eigenen Job eine unabhängige Lebensperspektive aufbauen können. Im Asylverfahren stehen Asylsuchenden gerade einmal sechs Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung. Teilweise dürfen sich Geflüchtete nicht selbst versorgen, sondern müssen im Supermarkt mit Gutscheinen bezahlen. Diese dürfen sie nur für bestimmte Produkte und nur in bestimmten Geschäften einlösen. Selbstbestimmung sieht anders aus. Es sind nicht die staatlichen Leistungen in Deutschland, die Menschen zur Flucht bewegen, sondern lebensbedrohliche Zustände wie Krieg, Verfolgung und Umweltkatastrophen.
Es ist auf den ersten Blick unverständlich, warum Geflüchtete in Zeiten eines weltweit ausgebauten Flugnetzes die lebensbedrohlichen Risiken einer Flucht durch Wüsten sowie über das Mittelmeer und militarisierte Grenzen hinweg auf sich nehmen. Am Geld liegt es nicht. Die Schlepper sind teurer, als es ein Flugticket wäre. Der Grund ist vielmehr die EU-Richtlinie 2001/51/EG, nach der die Fluggesellschaften die Rückreisekosten von Passagieren tragen, die von den Grenzbeamt*innen zurückgewiesen werden. Fluggesellschaften achten deshalb penibel darauf, ob Menschen gültige Einreisedokumente besitzen. Um legal einzureisen, bräuchten die Geflüchteten ein Visum der deutschen Botschaft. Viele Botschaften in Kriegsgebieten sind jedoch gar nicht besetzt. Doch auch in den Botschaften, in denen im Kriegszustand noch gearbeitet wird, werden in der Regel keine Visa ausgestellt. Denn um ein Visum zu erhalten, müssen Menschen den Beamt*innen versichern können, dass sie nach Ablauf ihres Visums wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren. Weniger privilegierte Menschen können diesen Nachweis nicht erbringen und haben ja häufig tatsächlich das Ziel, in Europa Asyl zu beantragen. Da Flugreisen also unmöglich gemacht werden, müssen Flüchtende enorm gefährliche Wege auf sich nehmen. Viele von Ihnen überleben diesen Weg nicht.
Unsere Gesellschaft besteht aus unterschiedlichsten Individuen. Kindern und Erwachsenen, Paaren und Singles, Arbeiter*innen und Arbeitssuchenden, Gewerkschafter*innen und Arbeitgeber*innen, Stadt- und Landbewohner*innen sowie Menschen mit und ohne Fluchtgeschichte. Diese Unterschiedlichkeit und Individualität ist, was unsere Gesellschaft ausmacht. Dennoch gibt es oftmals eine Vorstellung davon, wie sich Menschen, die nach Deutschland kommen, zu verhalten und woran sie sich anzupassen haben. Dabei stellt sich die Frage, an welche Werte und Normen sich die Personen anpassen sollten – eine deutsche Leitkultur, an der sich alle Deutschen orientieren, gibt es schlichtweg nicht. Klar ist, dass die deutschen Gesetzte als Haltelinien für alle gelten. Außerdem ist es naheliegend, sich in der schwierigen Lage, in der sich Geflüchtete befinden, erstmal mit Menschen, die sich in einer ähnlichen Lebenssituation befinden, kurzzuschließen – vor allem wenn es Sprachbarrieren gibt. Allerdings wird es denjenigen, die sich in bestehende Systeme und Strukturen in Deutschland einbringen wollen, von den Institutionen auch nicht gerade leicht gemacht. Geflüchtete erleben teilweise alltäglichen Rassismus und auch die staatliche Politik befördert die Trennung von Staatsbürger*innen und Geflüchteten. Das geschieht durch Arbeitsmarktbeschränkungen, fehlende Plätze in Sprachkursen und der räumlichen Abschottung durch das Leben in Unterkünften. Hier sind die deutsche Bevölkerung und der Staat gefragt. Erstere könnte gegen Alltagsrassismus vorgehen oder Geflüchteten konkret in ihrer Situation unterstützen, letzterer muss die rechtliche Situation verbessern. Die Forderung nach Integration ist somit keine Einbahnstraße. Sie kann sich nicht ausschließlich an Zugewanderte richten, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir nur alle gemeinsam lösen können.