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Niemals den Mund halten! Aktiv werden!
Undine ist 63 Jahre und in Rente, aber immer noch bei ver.di im Bezirksvorstand in Thüringen aktiv. Einen Monat vor der Landtagswahl 2019 haben wir mit ihr über ihre Arbeit in der Gewerkschaft gesprochen.
Undine, du bist ja nun schon seit vielen Jahre in der Gewerkschaft aktiv, und das nicht nur im Bereich der Tarifpolitik, sondern auch bei den ver.di Frauen. Was hat dich dazu bewegt?
Für mich lässt sich das eine nicht vom anderen trennen. Ich habe in den 80er Jahren in einem Großhandelsbetrieb hier im Osten gearbeitet, zusammen mit vielen Frauen. Die Arbeit war hart und die Löhne waren schlecht. Da haben wir uns bei der Betriebsgewerkschaftsleitung beschwert und die Antwort war: Ihr glaubt doch nicht, dass Männer für das wenige Geld arbeiten. Da war der Handlungsbedarf klar.
Wie war das mit der Gleichberechtigung im Osten und vor allem dann mit der Wende?
Bei den Frauen war es kompliziert. Auch in der DDR haben Frauen im Niedriglohnsektor gearbeitet. Aber mit der Wende kamen auf einmal so Vorbehalte gegen Frauen auf, die wir gar nicht kannten. Ab Mitte der 90er und 2000er wurde es ganz deutlich: Die Unternehmen wollten keine jungen Frauen auf gute Positionen lassen. Da hieß es immer: „Na, Sie wollen ja sicher noch Mutter werden.“ Frauen wurden immer mehr in Teilzeit gedrängt. Wir mussten wirklich schauen, dass die Frauen nicht auf der Strecke blieben. Deswegen haben wir als ver.di auch schon damals die Abschaffung von Minijobs, mit denen ja die Rente auf der Strecke bleibt, gefordert.
Und in den all den Jahren, was würdest du sagen, wo konntet ihr Erfolge erzielen?
Das muss ich trennen. Also, dass in ver.di niemand mehr die Quote anzweifelt, ist auf jeden Fall der Arbeit der ver.di Frauen zu verdanken. Hier in Thüringen nennen sie uns ja auch „die Krawall-Schachteln“ (lacht). Aber wir mögen das, denn das zeigt, dass wir nie den Mund gehalten haben. Und nach außen, würde ich sagen, war die Einführung des Mindestlohns ein Riesenerfolg. Wir haben das ja schon früh gefordert, wegen der schrecklichen Bezahlungen in den sogenannten Frauenberufen. Und auch wenn der Mindestlohn heute nicht das Gelbe vom Ei ist, dass es ihn gibt, ist der Arbeit von ver.di und keiner Partei zu verdanken.
Gleichberechtigung ist in aller Munde, aber gleichzeitig durch den rechten Rollback unter Beschuss. Wo siehst du aktuell die größten Gefahren für die Gleichstellung?
Ein furchtbares Beispiel ist die aktuelle Zusammensetzung des Bundestags mit einem Frauenanteil von 31 Prozent. Was wir da zurückgefallen sind. Und das sieht man ja auch in den Debatten, wie zum Beispiel bei der Diskussion um Paragraf 218 bzw. 219a. Da sollen Frauen das Recht, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, abgeben. Das gruselt mich!
Ist der Osten gefährdeter als der Rest der Republik?
Ich weiß es nicht, aber es scheint bei den Landtagswahlen nicht um die Themen Gleichberechtigung und Gleichstellung zu gehen. Und das ist ein Problem! Statt den Populisten hinterher zu jagen, fände ich es viel besser zu schauen, wo haperts? Und da fällt mir direkt die sinkende Tarifbindung ein. Hier im Osten sind nur noch 20 Prozent der Betriebe tarifgebunden. Das ist ein Skandal. So machen wir das auch bei den ver.di Frauen. Statt der Politik der Angst hinterher zu laufen, schauen wir, was bringt uns voran! Wir dürfen Leuten wie Herrn Höcke nicht einfach hinterherlaufen!
Was bedeutet das für die Landtagswahl?
Also erstmal bekennen wir da als ver.di natürlich Farbe. Wir haben uns hier in Erfurt ein tolles Transparent gemalt. Auf dem steht: „Starke Frauen haben keine Angst vor Fremden.“ Und damit gehen wir auf die Demos. Aber wir haben auch eigene Themen, die wichtig sind wie Wohnen und Bildung. Hier geht die Schere von arm und reich immer weiter auf. Naja und ganz klar die Tarifbindung. Da sind wir als ver.di auch dran.
Gewerkschaft bedeutet also mehr als faire Löhne?
Natürlich! Gewerkschaft bedeutet vor allem, dass man etwas aus der Gemeinschaft heraus schafft. Diese Solidarität, mit der man etwas verändern kann, die macht viel Spaß!