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Frauen führen eine Gruppe von Demonstrierenden auf der Straße an.

Ni Una Más! Nicht eine mehr!

Sie werden oft als Beziehungstaten oder tragische Einzelfälle abgetan: Morde an Frauen. Oft sind die Partner, Ex-Partner oder andere Familienangehörige die Täter. Die Ursachen: die patriarchale Vorstellung, Frauen hätten sich Männern und deren Bedürfnissen unterzuordnen, sowie der strukturelle Sexismus in unserer Gesellschaft. Die Frauen wurden also aufgrund ihres Geschlechts getötet.

Dieser Fall ging im April 2020 durch die deutschen Medien: Myriam Z. wurde von ihrem Ex-Freund in Leipzig ermordet, als sie mit ihrem Baby spazieren war. Die Medienberichte konzentrierten sich wieder einmal auf den Täter und dessen Herkunft. Der Grund für die Tötung wurde im persönlichen Bereich gesucht. Anna Kow und Barbara Schnalzger sprechen sich in ihrem Kommentar in der Jungle World dafür aus, „solche Taten endlich als Femizide zu benennen und politisch zu bekämpfen“.

Der Begriff „Femizid“ bezieht sich auf die von der US-amerikanischen Soziologin und Aktivistin Diana E. H. Russell geprägte Bezeichnung „femicide“. Es handelt sich um eine Zusammenführung der Wörter femina (lat. Frau) und homicidium (lat. Mord).

Im Jahr 2018 wurden in Deutschland laut Bundeskriminalamt (BKA) 122 Frauen durch Partnerschaftsgewalt getötet. Das heißt, jeden dritten Tag wird eine Frau Opfer von Totschlag, von Körperverletzung mit Todesfolge oder von Mord. Die Täter: der Partner oder ehemaliger Partner. Und häufiger als ein Mal pro Stunde wird eine Frau durch ihren Partner gefährlich körperlich verletzt. Jede dritte Frau ist in ihrem Leben mindestens einmal von Gewalt betroffen.

Ni Una Más

In vielen lateinamerikanischen Ländern ist er zu einem Kampfbegriff geworden, der nicht nur die strukturelle patriarchale Gewalt gegen Frauen thematisiert, sondern auch das Versagen des Staates im Kampf gegen diese Gewalt.

In Mexiko gingen am 9. März 2020 – dem Tag nach dem internationalen Frauentag – Millionen Frauen auf die Straße und streikten gegen Gewalt an Frauen. Am Frauengeneralstreik nahmen hochrangige Politikverantwortliche, Beschäftigte, Gewerkschaftsaktive, Zapatistas und feministische Gruppen teil.

Die Gewalt gegen Frauen hat auch in Mexiko in den letzten Jahren weiterhin zugenommen. 2019 wurden 3.800 Morde an Frauen verübt, fast ein Drittel davon wurde als Femizid eingestuft.

Die „Ni Una Más“-Bewegung („Nicht eine mehr“) bringt in verschiedenen Ländern Lateinamerikas immer mehr Frauen auf die Straße. Es ist eine transnationale also länderübergreifende Bewegung geworden. Dadurch konnte auch eine globale Solidarisierung von Frauen gegen patriarchale Gewalt angestoßen und der Druck auf den Staat und die Öffentlichkeit in vielen Ländern erhöht werden. Mit Erfolg: In verschiedenen Ländern – wie Mexiko, Argentinien oder Uruguay – wurde der Femizid als Straftatbestand bzw. strafverschärfendes Merkmal mit in die Gesetzbücher aufgenommen.

In Lateinamerika sind feministische Kämpfe stärker als in Deutschland mit Arbeitskämpfen verwoben. Deshalb kommen viele Anstöße für feministische Bewegungen auch aus diesen Ländern.

Wie sieht es hier in Deutschland aus?

In Deutschland fehlt bisher eine breite öffentliche Thematisierung und Debatte. Das liegt grundlegend daran, dass der Femizid als solcher immer noch nicht als Straftatbestand anerkannt ist. Die Bundesregierung will den Femizid nicht in das Strafrechtssystem einführen, weil der Begriff nicht klar genug gefasst sei. Und das, obwohl er bereits durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert wurde. Man beruft sich darauf, dass der deutsche Mordparagraph ausreichend sei.

Doch gerade die Anerkennung der Existenz von Femiziden und deren Aufnahme als Straftat würden dabei helfen, die Struktur dahinter zu benennen. Denn es sind keine Einzelfälle oder Beziehungsdramen! Es ist massive patriarchale Gewalt an Frauen, die von sexueller Belästigung über Vergewaltigung bis hin zu Totschlag und Mord reicht.

Ni Una Más!

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